Mi, 04.02.04:
ALEMANNIA - Bayern München 2:1 (1:1)
Straub - Landgraf, Klitzpera, Lanzaat, Blank - Grlic, Brinkmann (73. Paulus), Pflipsen, Fiel (88. Bediako) - Meijer, Krontiris (69. Salou)
(Memmersheim - Ewertz, van der Luer, Michalke / Berger)
Kahn - Sagnol, Kuffour, Demichelis, Lizarazu (84. Pizarro) - Hargreaves, Jeremies (80. Schweinsteiger), Salihamidzic, Ballack - Santa Cruz, Makaay
(Trainer: Hitzfeld)

Zuschauer: 20400 (ausverkauft; ca. 2500 aus München)
Gelb: Brinkmann, Meijer - Jeremies, Ballack, Sagnol

1:0 Blank (33.; Grlic)
1:1 Ballack (45+1.)
2:1 Meijer (81.; Salou, Paulus)



(Foto: Thorsten/A-Team)









(Foto: Thorsten/A-Team)









(Foto: Thorsten/A-Team)





Nach dem vermeintlichen Traumlos für die Alemannia im Viertelfinale des DFB-Pokals teilten sich in Aachen die Meinungen: Die einen jubelten über das große Los, die anderen hätten so kurz vor dem Finale lieber Lübeck oder Duisburg am Tivoli gesehen. Schließlich konnte die Alemannia in ihrer Vereinsgeschichte noch nie gegen Bayern gewinnen. In drei Jahren Bundesliga gab es fünf Niederlagen und nur ein Unentschieden, und in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga 1965 endeten die vorentscheidenden Gruppenspiele 2:1 für die Bayern sowie 1:1. Zuletzt hatte es auf dem Tivoli vor fast genau fünf Jahren in einem Testspiel ein deutliches 0:5 gegeben. Von den Alemannen, die damals auf den Platz standen, sind nur noch Christian Schmidt als Torwarttrainer sowie Ben Manga als Scout und Amateurspieler im Verein. Bei den Bayern waren es mit Salihamidzic, Kuffour und Lizarazu immerhin drei, die damals wie heute aufliefen.
Trotz leichter Organisationsschwierigkeiten (Schlangen bis zur Tankstelle dank zu weniger Eingänge) waren die Bedingungen für ein Fußballfest optimal. Das Stadion war voll, die Stimmung gut, und die Aktiven Alemanniafans hatten ihre bis dato aufwändigste Choreo vorbereitet. Die Alemannia, bei der Cristian Fiel den Vorzug vor Frank Paulus erhielt, legte auch stark los und hielt nicht nur mit, sondern setzte die Gäste unter Druck und ließ den Favoriten kaum zur Entfaltung kommen. Nach nicht einmal fünf Minuten hielt es Superstar Michael Ballack für nötig, gegen Karlheinz Pflipsen rustikal zur Sache zu gehen - der Schiedsrichter beließ es bei einer Ermahnung. Zehn Minuten waren gespielt, als Ivica Grlic nach einem schnell ausgeführten Freistoß von Pflipsen den ersten Schuss auf das Tor von Oliver Kahn abfeuerte. Die erste dicke Torchance ließ nicht lange auf sich warten: Erik Meijer erreichte eine Flanke von Dennis Brinkmann am langen Pfosten mit dem Kopf und köpfte einen Abwehrspieler an. Der Ball prallte zu Cristian Fiel, dessen Flachschuss die kleine Lücke zwischen dem hereinrutschenden Emmanuel Krontiris und dem Torpfosten fand. Auf der Gegenseite gab Roque Santa Cruz den ersten Warnschuss ab, zielte aber deutlich über das Tor. Nach knapp 20 Minuten deutete Stefan Blank erstmals an diesem Abend seine Schussgewalt an, hatte aber noch keinen Erfolg. Mitte der ersten Hälfte hatte die Alemannia ihre stärkste Phase. Erik Meijer ließ eine Hereingabe von Stefan Blank von der linken Seite auf Emmanuel Krontiris durch. Der stand ganz frei vor dem Tor und zog in Richtung Torwinkel ab, aber Oliver Kahn konnte mit einer sensationellen Parade das 1:0 verhindern. Bei der darauffolgenden Ecke verpasste Alexander Klitzpera um Haaresbreite die Führung. Die war allmählich überfällig, als zur Abwechslung die linke Abwehrseite der Bayern ausgespielt wurde und Emmanuel Krontiris in der Mitte aus kurzer Distanz den Ball mit der Hacke nicht traf. Im Nachsetzen schoss Cristian Fiel aus 10 Metern einen Münchener Abwehrspieler auf der Torlinie an. Von den Bayern war derweil außer einem Kopfball von Jens Jeremies wenig zu sehen. Michael Ballack pöbelte fleißig seine Mitspieler an, während das Publikum seinen Spaß hatte. "Bayern, wir hören nichts", musste der Gästeblock an seine Existenz erinnert werden. Nach 34 Minuten fiel endlich die zu diesem Zeitpunkt hochverdiente Führung. Stefan Blank hielt aus knapp 30 Metern drauf und traf genau in den rechten oberen Torwinkel. Der Tivoli kochte nun, irgendwo aus Block P wurde "Zieht den Bayern die Lederhosen aus" angestimmt, und das ganze Stadion sang mit, etwas später wunderte sich der S-Block "erste Liga, keiner weiß warum". Die Bayern schienen nur noch damit beschäftigt zu sein, sich gegenseitig anzukacken, so in der Szene, als Oliver Kahn sekundenlang den Ball hielt, bis er Willy Sagnol zu Ende angeschrien hatte, und danach Sagnol den Ball hielt, bis er mit Kahn fertig war. Wie es aber so kommt, wurden die Gäste in den letzten fünf Minuten des ersten Durchgangs etwas stärker, und man sehnte sich den Halbzeitpfiff herbei. Der ließ auf sich warten, und die Bayern spielten sich so lange den Ball hin und her, bis eine scharfe Flanke von Bixente Lizarazu den Kopf des freistehenden Michael Ballack zum für die Bayern schmeichelhaften 1:1 fand.
Dumm gelaufen, und man musste nun erwarten, dass die Mannschaft das nicht so leicht wegstecken würde und die Bayern nachlegen könnten. In der Tat hatten die Gäste das Spiel nun besser im Griff, aber die Alemannia hielt tapfer dagegen und hatte wieder die erste Chance. Karlheinz Pflipsen schloss ein Solo mit einem Flachschuss ab, den Erik Meijer nur knapp verpasste. Auf der anderen Seite verfehlte Roque Santa Cruz nach Flanke von Lizarazu das Tor von Stephan Straub. Dann lenkte Straub einen Freistoß von Owen Hargreaves über die Latte. Nach einer Stunde sah dann endlich Michael Ballack, der das ganze Spiel über den Schiedsrichter bearbeitete, die gelbe Karte wegen Meckerns. Nach 63 Minuten hatte die Alemannia die bis dahin beste Chance in der zweiten Hälfte. Dennis Brinkmann konnte sich auf der rechten Seite durchsetzen und legte zurück auf Karlheinz Pflipsen, der mit seinem Direktschuss an einem Abwehrbein scheiterte. Danach folgten zehn Minuten, in denen die Alemannia das Glück hatte, das in der ersten Halbzeit die Bayern hatten. Zuerst leistete sich der (wie auch Alexander Klitzpera ansonsten stark verteidigende) Quido Lanzaat einen dicken Bock und unterlief einen langen Ball. So hatte Roy Makaay das 1:2 auf dem Fuß, aber Stephan Straub rettete per Fußabwehr das Unentschieden. Nach einer Ecke von rechts und Kopfball von Michael Ballack rettete Willi Landgraf am langen Pfosten auf der Torlinie. Wenig später lief Roy Makaay Alexander Klitzpera davon. Zweimal würde sich ein Stürmer wie Makaay so eine Chance nicht entgehen lassen, meinte man, aber wieder hieß der Sieger Stephan Straub. Jörg Berger hatte mittlerweile Salou für Krontiris und Paulus für den starken Brinkmann gebracht. Frank Paulus war es dann, der zehn Minuten vor Schluss mit seiner Flanke die Sensation einleitete. Erik Meijer stieg hoch, schien in der Luft stehenzubleiben, kam irgendwie mit dem Kopf an den Ball, und irgendwie landete der Ball im Netz. Der Jubel war riesengroß, aber es musste noch ganz gewaltig gezittert werden. Der FC Bayern fing plötzlich an, Fußball zu spielen, und die Alemannia zog sich weit in die eigene Hälfte zurück. Stephan Straub entschärfte einen gefährlichen Kopfball von Roque Santa Cruz, und der eingewechselte Claudio Pizarro schoss knapp am rechten Pfosten vorbei. Zwei weitere Kopfbälle von Pizarro und Sagnol fanden schließlich ebenso wenig den Weg ins Tor wie ein Freistoß von Makaay zwei Minuten vor dem Ende. Der Schiedsrichter hatte zum Glück ein Einsehen, und ließ kürzer nachspielen als angebracht gewesen wäre.
Damit ging ein großes Spiel zu Ende, aber der Abend noch lange nicht. Noch eine halbe Stunde nach Abpfiff hatte kaum jemand seinen Platz im Stadion verlassen - gegen Burghausen war der Tivoli innerhalb von zehn Minuten wie leergefegt gewesen. Zuvor hatte sich die Mannschaft (in schon wieder neuen albernen T-Shirts) ihre verdienten Ovationen von den Rängen, unter anderem aus dem Bayern-Block abgeholt. Deren Fans sind im übrigen bei allen Erfolgen nicht zu beneiden - unsere aufopferungsvoll kämpfende Mannschaft möchte ich nicht gegen einen Haufen streitender Superstars eintauschen. Fast so nervenaufreibend wie das Spiel geriet dann noch die auf der Videowand übertragene Auslosung. Als zuerst Werder Bremen gezogen wurde, stockte den meisten der Atem - alles, nur das nicht. Zum Glück traf die Arschkarte den VfB Lübeck, so dass es noch um das Heimrecht zwischen Aachen und dem letzten Teilnehmer ging. Der Aufschrei, als zuerst die Alemannia gezogen wurde, glich einem mittleren Torjubel, und man darf sich auf ein weiteres ganz großes Spiel auf dem Tivoli freuen. Noch gegen Mitternacht fuhrend dutzendweise hupende Autos die Krefelder Straße hoch und runter.
Die Alemannia steht damit zum fünften Mal in der Vereinsgeschichte im Halbfinale des DFB-Pokals. In den vier bisherigen Halbfinals stehen zwei Siege zwei Niederlagen gegenüber:
1953: Wormatia Worms - Alemannia 1:3 (Finale in Düsseldorf: RWE - Alemannia 2:1)
1965: Alemannia - Schalke 04 4:3 n.V. (Finale in Hannover: Dortmund - Alemannia 2:0)
1967: HSV - Alemannia 3:1
1970: Alemannia - FC Cöln 0:4
Neben dem einmaligen Erlebnis, mit Abertausenden von Aachenern nach Berlin zu fahren, winkt bei einem Halbfinalsieg die Teilnahme am UEFA-Cup - vorausgesetzt, Bremen schlägt Lübeck und hält in der Bundesliga mindestens den dritten Platz. Durch die Einführung von Gruppenspielen im UEFA-Cup winkt da u.U. eine ganz, ganz fette Einnahme - vom Spaß, mit einem Haufen Chaoten zum Auswärtsspiel nach Kasachstan oder auf die Färoer-Inseln zu fliegen, ganz zu schweigen. Aber so weit ist es leider noch nicht - bei allen berechtigten Zweifeln an der Spielkultur der Rübenstecher: noch spielen die eine Klasse höher als wir und gehen auf dem Papier als Favorit in dieses Spiel. Abzuwarten bleibt nur, für wieviel dieses Mal die Karten bei Ebay weggehen.



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