Sa, 23.09.06:
Bayern München - ALEMANNIA 2:1 (1:1)
Kahn - Sagnol, Lucio, van Buyten, Lahm - Ottl, Santa Cruz (76. Karimi), van Bommel (90. dos Santos), Schweinsteiger (65. Demichelis) - Makaay, Pizarro
(Rensing - Salihamidzic, Scholl, Podolski / Magath)
Nicht - Pinto, Herzig, Sichone, Leiwakabessy - Plaßhenrich, Reghecampf (65. Fiel), Rösler (78. Ibisevic), Dum (75. Noll) - Schlaudraff, Ebbers
(Straub - Stehle, Casper, Lehmann / Frontzeck)

Zuschauer: 69000 (ausverkauft; ca. 8000 aus Aachen)
Gelb: Kahn, Lucio - Pinto, Schlaudraff, Reghecampf

0:1 Dum (38.; Pinto)
1:1 Pizarro (39.)
2:1 van Bommel (55.)



(Foto: Richard)











(Foto: Richard)







(Fotos: Richard)





Nach zwei Siegen in Folge musste die Alemannia am fünften Spieltag beim deutschen Rekordmeister Bayern München antreten. Den hatte man am Tivoli im Pokal vor zwei Jahren noch geschlagen, auswärts hatte man das letzte Spiel mit 0:6 verloren, damals noch an der Grünwalder Straße. Seitdem hat sich in München viel getan: Den FC Bayern kennt man als arroganten Serienmeister, der anderen Vereine die Spieler wegkauft, jede Menge charakterlose Erfolgsfans und eine noch charakterlosere Mannschaft hat.
Nun hatte man die Gelegenheit, dieses vor allem aus Sportschau, kicker etc. geprägte Bild persönlich zu überprüfen, und in der Tat war es nicht so, wie man es sich vorgestellt hatte... Es war noch viel bescheuerter. Aus allen Himmelsrichtungen werden am Spieltag Busladungen von siegessicherem Kuttenvolk angekarrt, die rund um die von Werbemüll umgebene Schlauchboot-Kampfbahn eher Familienausflugs- als Fußballatmosphäre verbreiten. Über die Arroganz-Arena habe ich mich schon bei unserem Spiel bei 1860 zur Genüge ausgelassen. Zu Bayern passt sie natürlich noch viel besser, denn sie wirkt ähnlich aufgeblasen wie Uli Hoeness.
Wirklich albern wird es während des Spiels. Während ein kleiner verzweifelter Haufen hinter dem Tor beharrlich versucht, Stimmung zu machen, passt sich die emotionslose Lethargie des restlichen Publikums dem gelangweilt-routinierten Spiel der Spitzenverdiener auf dem Spielfeld an. Bezeichnend die Leute auf der sonnenüberströmten Gegengerade, die 90 Minuten lang vor allem damit beschäftigt waren, sich Luft zuzufächern. Zur Vollendung der Dekadenz fehlen eigentlich nur noch Hartz-IV-Empfänger, die das Luft-Zufächern übernehmen, und Otternasen-Verkäufer. Emotionen würden auch nur stören, schließlich geht es ja ums hemmungslose Geldscheffeln, entschuldigung, Herr Rummenigge: um die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Fußballs. So ist es auch nur verständlich, dass man keine Fahnen oder dergleichen an die Brüstung hängen darf, die den VIPs auch nur ansatzweise den Blick auf die VIP-Logen gegenüber versperren könnten.
Ab und zu gibt es allerdings Gästefans, die ein wenig Leben in die Bude bringen. Aus Aachen war es knappe 10000, die den Spielbesuch zu großen Teilen mit dem Besuch des Septemberfestes kombinierte, jener Touristenfalle, wo man ein großes Glas schlechtes Bier zum Preis von anderthalb Kästen erwerben kann, wenn man denn lange genug wartet. Leider steht man bei Bayern als Gästefan nicht im Unterrang wie bei 1860, sondern hoch oben unterm Dach, von wo man zwar einen guten Überblick hat, aber keine Details wie z.B. einzelne Spieler, den Ball o.ä. erkennen kann.
Dabei hätte man zumindest die erste Halbzeit gerne aus der Nähe gesehen, denn wenigstens unsere Mannschaft spielte mit viel Herz und Leidenschaft. Ein wenig davon hätte man auch von der Heimelf erwartet, die in der Vorwoche dummerweise 2:1 in Bielefeld verloren hatte. Deren Chancen resultierten allerdings entweder aus Standardsituationen oder dem gelegentlichen Aufblitzen der inviduellen Klasse des einen oder anderen Millionärs. So setzte sich Bastian Schweinbesteiger auf der linken Seite gegen Sergio Pinto durch und flankte genau auf den Kopf von Claudio Pizarro, der seinen Kopfball etwas zu hoch ansetzte. Etwas später verpasste Daniel van Buyten einen Freistoß von Schweinbesteiger mit der Fußspitze. Wieder Schweinbesteiger brachte eine Ecke von rechts herein, und Nico Herzig kratzte Lucios Kopfball von der Linie. Nach Flanke von Mark van Bommel gewann Daniel van Buyten mit Hilfe eines Schubsers das Kopfballduell gegen Reiner Plaßhenrich, Kristian Nicht wehrte ab und Claudio Pizarro staubte ab. Die Musik ging an, und plötzlich zeigte sich, dass die Sitze nicht nur bunt angemalt waren, denn überall standen Leute auf. Zum Glück hatte der Schiedsrichter van Buytens Foul gesehen. Auf der anderen Seite flog Nico Herzig an einer Ecke von Laurentiu Reghecampf vorbei. Die größte Chance hatte Marius Ebbers, der nach Freistoß Reghecampf völlig frei zum Kopfball kam, aber den Ball nicht richtig traf und am stark reagierenden Dschingis Kahn scheiterte. Nach 37 Minuten wurde Marius Ebbers (aus der Ferne betrachtet knapp im Strafraum) umgestoßen, der Schiedsrichter hatte Foul gesehen, verlegte den Tatort aber außerhalb des Sechzehners. Sascha Dum lief an, Bastian Schweinbesteiger und Lucio fälschten den Ball hintereinander ab, und nach den Toren gegen Gladbach gab es den nächsten Ganzkörperorgasmus. Leider blieb keine Zeit für ein herzliches "Magath raus" hinterher, denn die Gastgeber schlugen schnell zurück. Bastian Schweinbesteiger ließ erneut Sergio Pinto stehen, und Nico Herzig warf sich im letzten Moment in seinen Schuss. Beim anschließenden Eckball stieß Claudio Pizarro Sascha Dum weg, aber der Schiedsrichter wollte den Bayern offenbar nicht zum zweiten Mal ein Tor abpfeifen, und so war die Führung schnell dahin (die Gegentore nach Standards häufen sich). Sergio Pinto sah Gelb wegen Reklamierens. Bis zur Pause wurde es noch hektisch. Jan Schlaudraff ging bei einer Rangelei mit dem bereits verwarnten Lucio zu Boden, aber statt Platzverweis für Lucio gab es Gelb für Schlaudraff. Naja, genaues war von oben unterm Dach nicht zu erkennen, also im Zweifelsfall für die mit der Kohle.
Zur Pause hatte Felix Magath wohl die richtigen Worte gefunden, denn seine Mannschaft spielte plötzlich Fußball. Philipp Lahm traf aus 20 Metern den linken Pfosten des Aachener Tores. Lukas Polanski übrigens lief zwar beim Warmmachen immer wieder übers Spielfeld, durfte aber nicht mitspielen. Dafür hätte er wahrscheinlich in der zweiten Liga bei Sülz 07 bleiben müssen, aber zumindest wird er fürs Warmmachen bestens bezahlt und kann sich demnächst seine eigene Sonderschule kaufen. Das 2:1 lag mittlerweile in der Luft. Mark van Bommel scheiterte nach Diagonalpass von Lucio an Kristian Nicht. Ein einziger gewonnener Zweikampf von Mark van Bommel gegen Reiner Plaßhenrich reichte zum Siegtor, van Bommel zog aus 20 Metern ab, der Ball setzte auf und schlug zum 2:1 im rechten Eck ein. Claudio Pizarro verzog zunächst und legte in der nächsten Szene nach innen, wo Roque Santa Cruz am Ball vorbeigrätschte. Mitte der zweiten Hälfte ließen die Gastgeber die Zügel ein wenig schleifen, und angetrieben vom mittlerweile grandiosen Support aus dem Gästeblock bekam unsere Mannschaft die zweite Luft. "Ganz egal wo Du spielst, gegen welchen Verein, wir werden bei Dir sein" wurde fast bis zum Schlusspfiff von beinahe jedem der 8000 Aachener mitgesungen - wenn es nur die Hälfte davon wörtlich meinte, muss man sich zumindest keine Sorgen machen, mit nur 200 Leuten in Wolfsburg oder Cottbus zu stehen. Der wiedergenesene Cristian Fiel war mittlerweile im Spiel und sorgte für einigen frischen Wind. Marius Ebbers ließ die etwas behäbigen Lucio und Daniel van Buyten stehen und prüfte Dschingis Kahn aus 20 Metern. Die Alemannia kam tatsächlich noch zum Ausgleich. Jan Schlaudraff ließ an der linken Seitenauslinie Ali Karimi stehen und fand mit seiner Flanke Marius Ebbers. Bei dessem Kopfball stand Emil Noll, der am langen Pfosten einköpfte, auf gleicher Höhe mit Daniel van Buyten, aber der Linienrichter verließ sich auf die bayrische Hintermannschaft, die kollektiv die Arme hob, und hob auch mal seine Fahne. Überpünktlich im Anschluss an eine endlos dauernde Münchener Auswechslung beendete der Schiedsrichter das Spiel.
In München kann man verlieren, aber unter den Umständen ist es dann doch ärgerlich. Auf die Leistung der Mannschaft kann man in jedem Fall stolz sein. Wenn wir in den nächsten wichtigen Spielen gegen Bochum, Mainz, Cottbus und Bielefeld daran anknüpfen können, sind wir auf dem besten Weg zum Klassenerhalt.



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