So, 17.02.02:
SSVg. Velbert - ALEMANNIA A 1:2 (1:0)
Grefen - Margref, Schiermoch (55. T. Maaßen), Bestler - Walker, Reucher, Roch (3. Kolczak (Torwart)), John, Kempkens - Gensler (65. Ebersbach), Badur
(Trainer: Grabotin)
Hesse - Mathes, Bediako, Marso (32. Gülez) - Schäfer, D. Maaßen (60. El Hammouchi), Rosin (86. Gunesch), Retterath, Morton - Tümmler, Iddi
(Trainer: Dooley)

Zuschauer: 1200 (ca. 120 aus Aachen)
Gelb: Tümmler, Morton - 1 mal Gelb für Velbert
Gelb-Rot: Bediako (63.; wiederholtes Foulspiel)
Rot: Grefen (3.; Handspiel außerhalb des Strafraums)
5 Minuten Unterbrechung nach 3 Spielminuten wegen Ausschreitungen
21 Minuten Unterbrechung nach 20 Spielminuten wegen Ausschreitungen

1:0 Reucher (13.)
1:1 Morton (53.)
1:2 Iddi (72.)

Das erste Oberligaspiel des neuen Jahres war gleich ein besonderes - für die Mannschaft, weil man wieder einmal gegen den Tabellenführer spielte, und für die Fans, weil man noch die Vorkommnisse beim Testspiel im Sommer (siehe Spielbericht von damals) im Kopf hatte. Zwei vollbesetzte Busse mit je 50 Leuten waren unterwegs. Bevor man das Stadion betrat, zeigten sich die meisten Aachener höflich und begrüßten erst einmal die ca. 20 bis 30 Velberter bzw. Essener an der Tankstelle. Nachdem man ihnen freundlich zugewunken hatte und das eine oder andere Ständchen zum besten gegeben hatte, wurde man auch schon wieder von der Polizei zurück zum Stadion begleitet. Dort gingen wir zunächst die Zaunfahnen an die Wellenbrecher auf der Geraden hängen, genau dahin, wo beim Testspiel die Asozialen unter den Velbertern gestanden hatten. Bitten der Polizei, doch lieber woanders hinzugehen, wurden eher achselzuckend zur Kenntis genommen, schließlich galt die Eintrittskarte für das gesamte Stadion - zumindest stand nichts gegenteiliges drauf, und es waren auch keine Blöcke abgetrennt. Noch vor dem Anpfiff sahen wir von weitem einiges Geschrei und Gerenne im Eingangsbereich - scheinbar war der Velbert-Mob eingetroffen.
Danach galt aber zumindest meine Aufmerksamkeit erst einmal dem Fußball. Bei Aachen kam neben Torwart Hesse auch Daniel Rosin zu seinem ersten Oberligaeinsatz. Nach seiner langen Verletzung gilt es für ihn, bei den Amateuren Spielpraxis zu sammeln. Auch Edwin Bediako, der wie Rosin beim Profispiel tags zuvor eingewechselt worden war, stand in der Anfangsformation. Ralph Gunesch, in der Woche noch beim Testspiel für die A-Jugend aktiv, nahm ebenso wie der noch leicht angeschlagene Ali Gülez zunächst auf der Bank Platz.
Gerade mal zwei Minuten waren gespielt, als Stefan Tümmler beinahe einen zu kurzen Rückpass auf den Velberter Torhüter erlaufen hätte. Der Torwart kam zwar gerade noch vor Tümmler an den Ball, aber der Abpraller landete bei Kris Morton. Dessen Nachschuss wurde vom herausstürzenden Torwart abgewehrt, allerdings mit der Hand und nach Ansicht des Schiedsrichters außerhalb des Strafraums. Die folgende rote Karte sorgte natürlich für einige Aufregung auf dem Spielfeld. Wie der Zufall es will, rannte genau in diesem Moment ein mit einem Gürtel bewaffneter Velberter auf den Platz. Er wollte nicht etwa den Schiedsrichter mit dem Gürtel schlagen, sondern war vor irgendetwas auf der Flucht. In einigen Zeitungen wurde behauptet, Aachener hätten das Spielfeld gestürmt, um einen Spielabbruch zu provozieren, aber das trifft die Sachlage eher weniger. Während der Velberter seine Flucht über die Laufbahn und zurück auf die Tribüne fortsetzte und dabei einen Becher Bier in den Nacken bekam, wurde das Spiel für fünf Minuten unterbrochen.
Das Spiel wurde mit Freistoß für Aachen fortgesetzt. Eddie Bediako zielte dabei genau in die Arme des eingewechselten Velberter Ersatztorhüters. In der Folgezeit wirkte unsere Elf verunsichert, sei es durch die unerwartete Überzahlsituation oder durch die Vorfälle außerhalb des Spielfeldes. Jedenfalls ließ man es an der beim Spiel 11 gegen 10 nötigen Aggressivität mangeln, und machte den Gegner durch Fehler und Unkonzentriertheiten stark. Nach fünf Minuten (Netto-)Spielzeit bot sich dem Tabellenführer nach Doppelfehler von Rosin und Maaßen die erste Torchance. Eddie Bediako verhinderte mit einem Foul die nächste Chance und hatte Glück, dass der Schiedsrichter das Foul nicht als Verhindern einer klaren Torchance sah und nur Gelb zeigte. Aus dem folgenden Freistoß resultierte aber schon das 1:0 für den Gastgeber. Ein Velberter wurde an der Strafraumgrenze nicht energisch genug gestört und traf per Flachschuss den rechten Innenpfosten, von dem der Ball unerreichbar für Hesse ins Tor sprang.
Damit war auch schon wieder genug des Fußballs. An allen möglichen Orten außer auf dem Spielfeld wurde jetzt "Sport" getrieben. Direkt vor meiner Nase boxten sich einige Leute, die ich noch nie vorher gesehen hatte, etwas weiter waren wieder einige Velbert-Hools auf der Flucht, und in der Nähe des Eingangs sollen sich Velberter mit Sprüngen über die Biertheke oder über ein Tor aus dem Stadion heraus gerettet haben. Nicht nur die Velberter hatten genug, sondern auch der Schiedsrichter, der die Mannschaften in die Kabinen schickte. Während der Stadionsprecher verzweifelt die Aachener Busfahrer ausrief (die sich wahrscheinlich eher in der nächsten Kneipe als im Stadion aufhielten), bildete die Polizei zwei Ketten, die den Großteil der Aachener Fans daran hinderten, sich vom Eingangsbereich des Stadions zu entfernen. Immerhin hatten die meisten, als das Spiel nach 20 Minuten fortgesetzt wurde, noch die Möglichkeit, das Geschehen auf dem Rasen zu verfolgen und bei gelegentlichen Anfeuerungsrufen für die Mannschaft, die wir von unserem Standort bei den Fahnen anstimmten, mitzumachen.
Auf dem Feld änderte sich "im zweiten Spieldrittel" wenig. Nur eine Minute nach Wiederanpfiff wurde unser Keeper durch einen Volley-Aufsetzer nach einer Velberter Ecke zu einer Glanzparade gezwungen. Fünf Minuten später konnten sich drei Velberter gegen eine Überzahl Aachener Abwehrspieler die nächste Chance erarbeiten, die wieder vom aufmerksamen Hesse vereitelt wurde. Nach einer halben bzw. ganzen Stunde (wie man's nimmt) wurden zwei Aachener auf der linken Abwehrseite wie Anfänger stehengelassen. Der Ball wurde in die Mitte gepasst, wo sich ein Velberter über einen am Boden liegenden Aachener fallen ließ. Die Zuschauer forderten Elfmeter, aber der Schiedsrichter entschied zu Recht auf Weiterspielen. Steven Dooley hatte für's erste genug gesehen und brachte Ali Gülez für David Marso. Aachen wurde jetzt ein wenig stärker und ließ bis zur Halbzeit wenigstens keine Chancen des Gegners mehr zu.
Die erste und dritte Halbzeit waren somit gelaufen, blieb noch die Hoffnung, dass die Mannschaft dem Spiel in der zweiten Halbzeit noch eine Wende geben könnte. Die meisten Aachener bekamen allerdings nichts mehr vom Spiel mit, da die Polizei sie mittlerweile zwischen Kassenhäuschen und Cafeteria eingekesselt hatte. Dabei verpassten sie, wie unsere Elf endlich entschlossener und der Überzahl angemessen auftrat. Lohn war das 1:1 durch Kris Morton in der 53. Minute. Eine Flanke in den Velberter Strafraum landete am langen Pfosten bei Morton, der den Ball aus spitzem Winkel unter die Latte drosch. Es entwickelte sich nun ein offener Schlagabtausch. Velbert musste jetzt offensiver spielen (schließlich lagen Wuppertal und Sülz Amateure deutlich in Führung), Aachen hatte in Überzahl Platz zum Kontern. Ein Distanzschuss von Bediako auf der einen und ein Fallrückzieher auf der anderen Seite verfehlten ihr Ziel nur knapp. Dann dezimierte sich unser Team wieder einmal selbst. Nach einem Foul von Bediako ließ der Schiedsrichter zwar zunächst Vorteil laufen, zeigte aber auf Hinweis des Linienrichters doch noch Gelb-Rot. Eine Minute dauerte es, bis sich die nun nicht mehr in Unterzahl spielenden Velberter die erste Chance erarbeitet hatten. Das konnte ja noch heiter werden...
Die zehn verbleibenden Aachener zeigten aber eine vorbildliche Moral. Bastian Retterath schloss eine gelungene Kombination über Daniel Rosin und Baba Iddi mit einem satten Schuss ab, der nur knapp über den Kasten strich. Zwei Minuten später waren die Velberter zu weit aufgerückt, und Baba Iddi nutzte den Platz zu einem 20m-Kracher in den Winkel. Die Sensation schien greifbar nahe, aber in den letzten zehn Minuten wurde es noch einmal verdammt eng. Velbert hatte Chancen im Minutentakt. Im Aachener Strafraum wurde gewühlt und gestochert, dann strich ein Schuss Zentimeter am Aachener Tor vorbei. Sechs Minuten vor dem Ende kam ein Velberter ganze fünf Meter vor dem Tor völlig frei zum Schuss, traf den Ball aber nicht richtig und verfehlte das Tor ebenso knapp wie ein Kopfball eine Minute später. Zwei Minuten vor Schluss zielte ein Velberter bei einer Direktabnahme zu hoch, dann konnte eine unübersichtliche Situation in letzter Sekunde geklärt werden. In der Nachspielzeit landete ein Schuss am Außenpfosten, dann musste Hesse noch einmal sein ganzes Können aufbieten, um einen Schuss zur Ecke zu lenken, und auch der allerletzte Versuch der Velberter blieb in der Aachener Abwehr hängen.
So blieb es beim 2:1-Auswärtssieg. Wie schon beim 4:2 gegen die Amateure von Fusion Cöln hatten unsere Jungs mal eben den Tabellenführer gestürzt, diesmal allerdings mit viel, viel Glück. Ich kann es bis jetzt kaum glauben, dass wir die letzten zehn Minuten ohne Gegentor überstanden haben. Bester Mann auf dem Platz war Torwart Hesse, tags zuvor noch für die A-Jugend in Dortmund aktiv; eine eher unglückliche Figur hingegen machte Daniel Rosin, der viel zu zaghaft und ängstlich wirkte.
Nachdem wir noch schnell in der Cafeteria unserer Mannschaft die letzten Stücke Kuchen vor der Nase weggeschnappt hatten, begab ich mich freiwillig zwecks Rückfahrt in den Polizeikessel, im Nachhinein eine nur mäßig gute Idee. Zuerst verzögerte sich die Abfahrt, da noch ein Aachener in Polizeigewahrsam war, dann wurde trotz gegenteiliger Bekundigungen der Polizei ein weiterer einfach stehengelassen. Mit Blaulichtbegleitung ging es Richtung Aachen, wobei die Begleitung auf einem Rastplatz irgendwo bei Neuss wechselte, ohne dass man zum Pinkeln oder Rauchen aus dem Bus gelassen worden wäre. Die Rückfahrt verlief dank Auswärtssieg und der Radioübertragung von den erfolglosen Versuchen von 11 Cölnern, gegen 10 Bremer 1 Tor zu schießen, recht lustig. Irgendwann überholte uns der Mannschaftsbus, aus dem uns die Spieler zuwinkten, die offensichtlich Spaß hatten, und endlich bog der Bus dann auch in die Krefelder Straße ein. Allerdings wurde nicht etwa der Tivoli angesteuert, sondern das Polizeipräsidium. In einer surreal anmutenden Szene mussten 100 Aachener, begleitet von vielfachem Hundegebell, filmenden Bullen und einem auf Schnappschüsse lauernden Pressemenschen einzeln aus den Bussen steigen, ihre Ausweise zeigen und sich zum Teil durchsuchen lassen. Dumm für die, die keinen Ausweis dabeihatten oder sowieso schon bei Polizei und Verein gut bekannt waren und den Ärger hatten, nur weil sie im Bus gesessen hatten. Die scheinbare geistige Armut einiger Herren in Grün ließ etwas anderes als undifferenziertes Schwarz-Weiß-Denken nicht zu, und somit war klar, dass ausnahmslos alle Businsassen der Kategorie C zuzuordnen waren. Irgendwann, man hatte mittlerweile eifrig versichert, dass man weder den Geldkoffer noch Osama Bin Laden versteckt hielt, wurde man grüppchenweise in die Freiheit entlassen, nicht ohne noch ein Platzverbot ausgesprochen zu bekommen. Ein Platzverbot für das Polizeipräsidium kann natürlich im Zweifelsfall ganz nützlich sein ("aber Herr Wachtmeister, sie können mich nicht mitnehmen, ich hab doch Hausverbot bei Ihnen..."). So ging ein denkwürdiger Tag zu Ende. Unser Fanbeauftragter wird sich vielleicht demnächst etwas wundern, wenn die Busunternehmer beim Namen "Alemannia" einfach den Hörer auflegen, und der eine oder andere wird seinem Chef oder seinen Eltern einige Radio- und Zeitungsberichte erklären müssen, aber insgesamt hat das Spiel (ich meine das Spiel selbst) für das beschissene Profi-Spiel am Samstag mehr als entschädigt.
Zum Rest nur soviel: ich war da, um ein Fußballspiel zu sehen, und habe dies ebenso ungehindert getan wie die Velberter Zuschauer, die auch nur für Fußball da waren. Beim Testspiel im Sommer konnte ich nicht ungehindert Fußball gucken, und genau die Velberter, die uns damals daran hindern wollten, das Spiel zu sehen, waren diesmal die Gejagten. Ich will die Vorkommnisse nicht beschönigen, aber es war meiner Ansicht nach weder so übel, wie es in der Presse hingestellt wurde noch hat es den übertriebenen Polizeieinsatz gerechtfertigt.

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