Sa, 20.04.02:
Karlsruher SC - ALEMANNIA 1:2 (1:2)
Walter - Rothenbach, Waterink, Kracht, Engelhardt (38. Fritz) - Birk (76. Ertl), Cetin, Melkam, Fuchs - Graf, Labbadia
(Becker - Heinzen, Butscher, Rus, Rapp / Kuntz)
Straub - F. Schmidt, Spanier, Bediako - Landgraf, Grlic, Rauw (55. Rosin), Heeren - Daun (61. Caillas), T. Diane, Ivanovic (74. Hildmann)
(C. Schmidt - Benthin, Bayock, Lämmermann / Berger)

Zuschauer: 11500 (ca. 300 aus Aachen)

Gelb: Birk, Kracht - Bediako, Spanier, Daun, Landgraf, Caillas
Gelb-Rot: Grlic (77.; Spielverzögerung)

0:1 Ivanovic (14.; Rauw)
0:2 Daun (28.; Rauw)
1:2 Rothenbach (44.)















Trotz schlechter Leistungen über die gesamte Saison konnte einen ein Blick auf die Tabelle meistens noch zuversichtlich stimmen. Selbst nach der Heimpleite gegen Union dachte ich, dass uns der Klassenerhalt schon irgendwie gelingen würde. Grund dieser Zuversicht war weniger das Vertrauen in die eigene Mannschaft als die Annahme, dass Unterhaching zu schwach sei, um die nötigen Punkte zu holen. Um so größer war dann der Schock, als am Freitagabend der Videotext meldete: "Union Berlin - Unterhaching 0:2". Damit war Unterhaching bis auf zwei Punkte herangerückt, und es war klar, dass es bei einer Niederlage in Karlsruhe in Anbetracht des Restprogramms ganz, ganz finster aussehen würde. Die Erinnerung an den Abstieg 1990 und die Aussicht auf die diversen katastrophalen Auswirkungen eines erneuten Abstiegs hielten mich die ganze Nacht wach. Am nächsten Morgen im Zug hatten einige Mitreisende ganz andere Probleme, von denen sich die meisten auf die Überschätzung der Leistungsfähigkeit der eigenen Leber zurückführen lassen. Seltsamerweise ging es bei keiner der Diskussionen und Rangeleien im Zug um das Thema Alemannia. Den Putzfrauen der Deutschen Bahn, die das ganze sangriafarbene Erbrochene später aufwischen durften, wird es egal gewesen sein. Etwas schade ist nur, dass viele im Stadion beim wichtigsten Spiel seit Jahren nur noch körperlich anwesend waren. Noch bedauerlicher ist die insgesamt recht geringe und der Bedeutung des Spiels nicht angemessene Zahl von rund 300 Aachenern im Gästeblock.
Die Alemannia musste in Karlsruhe auf Karlheinz Pflipsen verzichten. Frank Schmidt, Mark Spanier und Markus Daun hingegen, deren Einsatz lange fraglich gewesen war, konnten von Beginn an spielen. Dabei fungierte Frank Schmidt als Libero hinter den Manndeckern Spanier und Bediako. Auch der KSC musste mit dem gelbgesperrten Grimm auf einen wichtigen Spieler verzichten. Der Gastgeber hatte in der ersten Halbzeit mehr vom Spiel, ohne sich allerdings zwingende Chancen herauszuarbeiten. Die Aachener Defensive um Frank Schmidt stand sicher wie lange nicht mehr. Nach einer Viertelstunde startete die Alemannia den ersten vielversprechenden Angriff auf das Kalrsruher Tor. Ein langer Ball von Bernd Rauw über die Karlsruher Abseitsfalle hinweg landete bei Josef Ivanovic, der, noch bedrängt von einem Gegenspieler, in halblinker Position auf Torhüter Walter hinzulief. Er behielt die Nerven und schob den Ball unter dem Keeper hindurch zum vielumjubelten 0:1 in die Maschen. Auch nach dem Tor hatte der KSC zwar meistens Ballbesitz, aber keine zündenden Ideen. Nach einer knappen halben Stunde sah sich Markus Daun bei einem Konter über rechts nur einem Abwehrspieler gegenüber. Er schlug einen Haken in die Mitte und schlenzte den Ball aus sechzehn Metern flach zum 0:2 in die lange Ecke. Der Spielstand stellte den Spielverlauf auf den Kopf. Den mitgereisten Anhängern war es egal, viele hatten jetzt Tränen der Freude und Erleichterung in den Augen, aber leider war noch mehr als eine Stunde zu spielen. Kurz vor der Pause erhöhte der KSC den Druck, und Rothenbach konnte eine Hereingabe von Fritz von der rechten Seite aus kurzer Distanz zum 1:2 über die Linie drücken. Somit musste in der zweiten Halbzeit noch einmal kräftig gezittert werden.
Die Aachener beschränkten sich nach dem Wechsel auf die Defensivarbeit und standen tief in der eigenen Hälfte. Im Laufe der Zeit wurde mit den Einwechslungen von Rosin, Caillas und Hildmann für Rauw, Daun und Ivanovic die Defensive weiter verstärkt. Bruno Labbadia verpasste eine Hereingabe von Clemens Fritz nur knapp, später konnte Stephan Straub einen fulminanten Schuss von Melkam zur Ecke lenken. Die Zeit verging viel zu langsam, und ständig sah man nervös zur Uhr und freute sich, dass seit dem letzten Blick zur Uhr schon wieder zwanzig Sekunden vergangen waren. Ein Kopfball von Labbadia nach Ecke von Fuchs strich über die Latte, ansonsten waren Chancen zum Glück Mangelware. Eine Viertelstunde vor dem Ende übertrieb es Ivica Grlic mit dem Zeitspiel, als er sich den Ball beim Freistoß zu langsam zurechtlegte. Da er bereits verwarnt war, mussten die Aachener das Ergebnis zu zehnt über die Zeit retten. Den mitgereisten Fans stockte noch einmal der Atem, als Cetin nach Flanke von Graf am langen Pfosten frei zum Schuss kam, aber mit einer Direktabnahme aus fünf Metern das Tor verfehlte. Auf der anderen Seite hätte Olivier Caillas bei einem Konter das Spiel entscheiden können, scheiterte aber an Torwart Walter. Der Schiedsrichter schonte die Nerven des Aachener Anhangs nicht und ließ lange nachspielen, bevor endlich der erlösende Schlusspfiff ertönte.
Während sich im Gästeblock alle in den Armen lagen, wurde die Mannschaft am Zaun endlich einmal gefeiert und nicht beschimpft. Über neunzig Minuten hatten sie alles gegeben und mit ihren bescheidenen Mitteln den Sieg erkämpft und erzittert. Viele Fans konnten ihr Glück kaum glauben, andere waren aufgrund ihres Alkoholpegels ohnehin zu nichts mehr zu gebrauchen, und so wurde auf der Rückfahrt nur im kleinen Kreis gefeiert. Lediglich die feierliche Intonation der polnischen Nationalhymne brachte das ganze Abteil auf die Beine. In der Euphorie konnte man sogar das 0:7-Debakel der so gut wie abgestiegenen A-Jugend in Sülz am nächsten Morgen locker verkraften. Trotz aller Freude sollte man nicht vergessen, dass wir noch nicht ganz gerettet sind - immerhin würde jetzt aber ein Punkt in Unterhaching oder auch schon ein Punkt von Mannheim gegen Karlsruhe am nächsten Spieltag reichen. Im übrigen sind die Aussichten für die Zukunft bei der Finanzlage nach wie vor nicht gerade rosig. Sollte die Klasse gehalten werden, steht im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder Abstiegskampf auf dem Programm.



Zurück