Do, 16.09.04, Reykjavík:
FH Hafnarfjördur - ALEMANNIA 1:5 (0:3)
Larusson - Saeversson, Nielsen, S. Gardarsson, Bjarnason - Bett (69. Asgeirsson), J. Gardason, Gudjonsson (46. Widarsson) - Stefansson (56. A.V. Björnsson), Hallfredson, Borgvardt
(Halldorsson - Karkov, A.S. Björnsson, Leiffson / Johannesson)
Straub - Landgraf, Klitzpera, Sichone (72. Stehle), Blank - Plaßhenrich, Rolfes (46. Brinkmann), Fiel - Pinto, Michalke, Meijer (68. Iwelumo)
(Nicht - Noll, Paulus, Bruns / Hecking)

Zuschauer: 1514 (ca. 400 aus Aachen)
Gelb: Saeversson, Widarsson

0:1 Michalke (12.; Landgraf, Meijer)
0:2 Michalke (14.; Fiel, Pinto)
0:3 Meijer (44.; Klitzpera, Landgraf)
1:3 A.V. Björnsson (84.)
1:4 Klitzpera (89.; Michalke)
1:5 Plaßhenrich (93.; Michalke, Pinto)









































(Foto: Jörg Bücken)





















Ein halbes Jahr nach dem 1:0 gegen München Gladbach nahte endlich der große Tag, auf den man so lange hingefiebert hatte: der erste Auftritt der Alemannia im Europapokal. Rund 400 Aachener ließen es sich nicht nehmen, trotz Preisen ab 500 Mark aufwärts diesem Ereignis beizuwohnen - wesentlich mehr als einige Tage vorher in Unterhaching.
Die meisten hatten das vom Verein subventionierte Angebot angenommen und für 339 Euro den Tagesflieger gebucht. Ein paar Dutzend Alemannia-Fans wählten die Option, verschiedene Routen per Billigflieger über London oder Kopenhagen zu bereisen, mit dem Hintergedanken, etwas Zeit für Land und Leute zu haben, wenn man schon 400 Euro ausgibt. Letztere Variante sollte sich durchaus lohnen. Während die Hauptstadt selbst in wenigen Stunden zu Fuß zu erkunden ist, bietet das Hinterland zahlreiche landschaftliche Attraktionen, von 30 Meter hohen Geysiren, Wasserfällen, Fjorden, heißen Quellen bis zu Vulkanen und Kraterseen. Am Tag vor dem Spiel schien selbst der Geysir fest in schwarz-gelber Hand zu sein, ganz zu schweigen von der Innenstadt Reykjavíks oder der Jugendherberge neben dem Stadion.
Fußballerisch wusste niemand so recht, was zu erwarten war. Fußball hat im kalten Island einen schweren Stand gegenüber etwa Handball. Trotzdem hat das Land auch in dieser Hinsicht einiges zu bieten, wie etwa das Damenfußballspiel in Akranes am Vorabend zeigte: ein Stadion direkt am Meer, 22 meist bildhübsche und blonde Spielerinnen, und Zuschauer, die das Spiel aus dem Auto heraus verfolgen und bei Toren per Hupkonzert und Lichthupe Beifall zollen.
Der Gastgeber FH Hafnarfjördur war noch nie isländischer Meister, braucht aber am letzten Spieltag, der am Wochenende nach dem UEFA-Cup-Spiel ausgetragen wird, nur noch einen Punkt zur ersten Meisterschaft. Hafnarfjördur ist ein kleines Hafenstädtchen 10 Kilometer vor Reykjavík. Da das dortige Stadion zu wenige Sitzplätze für das Spiel bot, musste der Verein wie auch die Alemannia ausweichen. So fand die Begegnung im Nationalstadion Laugardalsvöllur statt, wo sonst Fram Reykjavík sowie die isländische Nationalelf ihre Heimspiele austragen. Das Interesse in Reykjavík war mäßig: 1514 Zuschauer wurden am Ende gezählt, die Gegengerade wurde gar nicht erst geöffnet (bzw. Zuschauer, die sich dorthin verirrten, wurden von gutaussehenden Ordnerinnen zurückgeschickt). So teilte sich die Haupttribüne in eine Aachener und eine isländische Hälfte, wobei auch Hafnarfjördur von einigen Dutzend sangesfreudigen, trikot-tragenden, zumeist jugendlichen Fans unterstützt wurde. Die Gegentribüne gehörte den in dieser Anzahl noch nie gesehenen, kameragerecht aufgehängten Aachener Zaunfahnen.
Die Alemannia, mit Kai Michalke für den angeschlagenen Jens Scharping angetreten, übernahm gleich nach dem Anpfiff das Kommando auf dem Rasen, ebenso wie die Fans auf den Rängen. Die Stimmung war bereits jetzt prächtig, die meisten waren allein davon überwältigt, mit Alemannia an diesem Ort zu spielen. Schon früh deutete sich an, dass vor allem die linke Abwehrseite der Isländer überfordert war. Eine Hereingabe von Sergio Pinto wurde abgefangen, etwas später traf Pinto nach Flanke von Stefan Blank den Ball nicht richtig. Auf der Gegenseite gab es immerhin beim Stand von 0:0 eine Flanke in den Strafraum, die aber keinen Abnehmer fand. Nach 12 Minuten konnte die Party dann richtig losgehen. Willi Landgraf konnte auf der rechten Seite 35 Meter vor dem Tor völlig unbehelligt flanken. Erik Meijer setzte sich beim Kopfball durch, und Kai Michalke entwischte den Blicken seines Gegenspielers und denen des Linienrichters. Frei vor dem Tor behielt er die Nerven und versenkte den Ball im Tor. Rund 400 bange Blicke gingen zum Linienrichter, aber die Fahne war tatsächlich unten geblieben. Nun gab es kein Halten mehr, bei gestandenen (wenn auch betrunkenen) Alemannia-Fans flossen die ersten Freudentränen. Während man sich noch in den Armen lag, zappelte der Ball schon wieder im Netz. Sergio Pinto wurde auf der rechten Seite per Doppelpass von Cristian Fiel freigespielt. Er legte den Ball zuräck auf den Sechzehner, wo Kai Michalke den Ball direkt nahm und seinen zweiten Treffer erzielte.
Der Rest des Spiels war Party; schon jetzt war klar, dass es mit dem Teufel zugehen müsste, damit die bieder wirkenden Isländer dem Spiel noch eine Wende geben sollten. Zu überlegen und gut spielte unsere Mannschaft. Sergio Pinto, Cristian Fiel und Kai Michalke hatten weitere Chancen, z.T. fing die Alemannia bereits an zu zaubern. Kurz vor dem Wechsel kam es noch dicker für die Gastgeber. Willi Landgraf erlief einen langen Ball von Alexander Klitzpera kurz vor der Torauslinie, und Erik Meijer spitzelte seine Flanke zum 3:0 über die Linie.
Im zweiten Durchgang machte es den Eindruck, als würde die Alemannia im Gefühl des sicheren Sieges einen Gang zurückstecken - im Schongang durch den Europapokal, man konnte es immer noch nicht fassen. Getrübt wurde die Freude in dieser Phase durch unnötigen Ärger mit heimischen Fans und Polizei im Gästeblock - dabei waren die Isländer sehr gute Gastgeber gewesen, die auch nach dem Spiel trotz des Ergebnisses noch für das eine oder andere Korn zu haben waren und einem an jeder Ecke ihre Glückwünsche aussprachen. Auch der Support der heimischen Fans ließ trotz des Spielstandes in der zweiten Halbzeit kaum nach. Kurz vor dem Ende fühlte sich unsere Mannschaft offenbar etwas zu sicher, Björnsson nutzte eine Unachtsamkeit zum 1:3. Alexander Klitzpera per Kopf nach Flanke von Kai Michalke stellte den alten Abstand wieder her. Rainer Plaßhenrich erhöhte in der Nachspielzeit bei weiter nachlassender Gegenwehr auf 1:5.
Die Alemannia hat damit die Gruppenphase so gut wie erreicht. Hafnarfjördur konnte zwar schon in der Vorrunde in Dunfermline eine verloren geglaubte Begegnung umbiegen, aber ein Kantersieg in Cöln ist für diese Mannschaft mehr als utopisch (schließlich geht es nicht gegen den FC). Das Erreichen der Gruppenphase ist ein Riesen-Erfolg für die Alemannia, ein weiterer Schritt zur finanziellen Sanierung und ein erneuter Grund zur Vorfreude für die Fans. Hoffentlich wird es nicht noch einmal so teuer... Mit Alemannia nach Island zu fahren war in jedem Fall ein geiles Erlebnis, das einem keiner mehr nehmen kann.



Zurück