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Bade - Sichone, Cichon, Happe - Kringe, Sinkala, Lottner,
Voigt - Scherz, Kurth (86. Kioyo), Springer (92. Helbig)
(Pröll - Dworrak, Schröder, Nessou, Federico / Funkel) |
Straub - Landgraf (57. Mbwando), Klitzpera, Lanzaat, Caspers -
Grlic, Bayock (57. Krontiris), Pflipsen, van der Luer -
Spizak (85. Zimmermann), Ivanovic
(Memmersheim - Bediako, Rosin, Lämmermann / Berger) |
40 Jahre, nachdem die Alemannia mit Cölner Hilfe um die Bundesliga
beschissen wurde, gab es endlich wieder Gelegenheit zur Revanche in der
Hauptkampfbahn Müngersdorf, wo man seit 1968
nicht mehr gewinnen konnte. Zuletzt mussten 15000 Aachener eine
4:0-Pleite in der 2. Liga vor gut drei Jahren mit
ansehen. Seitdem hat sich einiges getan in Cöln: die Spielvereinigung
ist in die Bundesliga aufgestiegen und aufgrund einiger Probleme mit dem
Toreschießen und dem Fußballspielen im allgemeinen wieder
abgestiegen. Die Hauptkampfbahn Müngersdorf nennt sich mittlerweile
RheinEnergie-Stadion und wird für die WM 2006 umgebaut. Neben der
Südtribüne ist mittlerweile auch die neue Haupttribüne fertig.
Beide Tribünen sind ungefähr doppelt so hoch wie die alten und
vor allem näher am Spielfeld. Das ganze macht einen durchaus ansehnlichen
Eindruck, wenn auch etwas groß geraten für einen Zweitligisten.
Besonders positiv fiel die Nordtribüne auf, an derem Zustand man sich
beim Bau der anderen Tribünen orientieren sollte. Leichte Probleme mit
der Rechtschreibung offenbarten die Gastgeber beim Druck der Eintrittskarten,
auf denen sowohl "Alemannia" als auch "Cöln" falsch
geschrieben wurden.
Nur 5000 Aachener fanden dank Live-Übertragung und Montagstermin den
Weg nach Cöln, sogar die Staus auf der A4 blieben größtenteils
aus. Die meisten der 5000 quetschten sich in die Ecke der Osttribüne
direkt neben der Baustelle. Obwohl hier auch nicht mehr Platz als auf dem
Aachener Wall des Tivolis war, gab es bis jetzt noch keine Beschwerdebriefe
in der Lokalpresse zu lesen. Vor dem Spiel musste man wie befürchtet
einige schlechte Karnevalsmusik über sich ergehen lassen, als
Krönung trug eine seltsame Kreuzung aus Wolfgang Niedecken und Toni
Polster den missglückten Versuch einer Vereinshymne vor. Bei der
Alemannia saß Neuzugang Emmanuel Krontiris auf der Bank, dessen Namen
vor dem Spiel nur die wenigsten im Detail kannten. Die meisten landeten
jedenfalls beim Versuch, den Namen zu nennen, früher oder später bei
"Klitoris". Auf der linken Abwehrseite übernahm nicht wie in
Freiburg Edwin Bediako, sondern erstmals Dirk Caspers den Part des verletzten
Henri Heeren. Im Mittelfeld erhielt wiederum Thierry Bayock den Vorzug vor
dem wiedergenesenen George Mbwando. Bei der Spielvereinigung stand nicht
Markus Pröll im Tor, obwohl er im Pokalspiel in München nur acht
Gegentore kassiert hatte - als die fusionierte Spielvereinigung die
höchste Niederlage ihrer kurzen Vereinsgeschichte kassieren musste. 8:0
ist im übrigen auch das Rekord-Negativergebnis für die Alemannia -
allerdings zu Zeiten, als es noch keinen "1.FC Cöln" gab. Den
oft arroganten Cölner Fans, die Sülz für eine Topadresse im
deutschen Fußball halten, war die Pleite jedenfalls zu gönnen.
Auch die Cölner Mannschaft zeigte sich verunsichert von der peinlichen
Niederlage, begleitet von
"8:0"-Gesängen aus dem
Gästeblock. Die Alemannia übernahm das Kommando auf dem Rasen, vom
Tabellenführer war wenig zu sehen. Mitte der ersten Halbzeit lautete das
Eckballverhältnis 6:1 für die Alemannia, wähernd sich die
Cölner bei ihren Angriffsbemühungen meistens im Abseits
wiederfanden. Vor dem Tor war die Spielvereinigung aber durchaus ab und zu
gefährlich; so musste sich Dirk Caspers nach gut zehn Minuten in
höchster Not in einen Schuss von Florian Kringe werfen, ebenso wie wenige
Minuten später Thierry Bayock. Ganz große Chancen für die
Alemannia blieben trotz spielerischer Überlegenheit zunächst aus,
bevor es kurz vor der Pause mehrmals zu besten Einschussmöglichkeiten
kam. Nach herrlichem Lupfer von Eric van der Luer hatte Karlheinz Pflipsen
als erster die Führung auf dem Fuß, schoss aber aus vollem Lauf
über das Tor. Die Spielvereinigung enttäuschte ebenso wie ihre Fans,
von denen lange Zeit wenig zu hören war - zumindest kam im
Gästeblock nichts an. Immerhin hatte Florian Kringe noch eine gute
Torgelegenheit, als ihm nach Fehler von Stephan Straub der Ball vor die
Füße fiel, er aber nichts damit anzufangen wusste. Drei Minuten
vor der Pause landete ein Eckball von Ivica Grlic bei Josef Ivanovic. Dessen
Schuss köpfte Alexander Klitzpera am langen Pfosten über das Tor -
Miroslaw Spizak hinter ihm wäre besser postiert gewesen. Eine Minute
später rettete Stephan Straub bei einem Cölner Konter gegen
Matthias Scherz. Es lief schon die Nachspielzeit, als Ivica Grlic von rechts
eine flache Hereingabe in den Strafraum brachte und Josef Ivanovic am kurzen
Pfosten in aussichtsreicher Position den Ball nicht richtig traf. Das hätte die
Führung, zumindest aber die letzte Aktion der ersten Halbzeit sein
müssen. Der Schiedsrichter dachte aber immer noch nicht daran, zur Pause
zu pfeifen, und so fiel tatsächlich noch das 1:0 für die Gastgeber.
Nach einer Flanke von Markus Kurth von der rechten Seite wirkte die Aachener
Hintermannschaft unsortiert, Dirk Caspers verlängerte unglücklich
mit dem Kopf, und Dirk Lottner trat in den Boden. Dabei hatte er Glück,
dass der Ball trotz seines Fehltritts zum 1:0 im langen Eck landete. Im
Gästeblock gab es nun lange Gesichter - 45 Minuten die bessere Mannschaft
gewesen, mittlerweile 8:2 Ecken, kurz vorher selbst das 1:0 auf dem Fuß
gehabt, und dann das.
Zu Beginn der zweiten Hälfte rollten die Cölner Kinder auf der
Südtribüne erst einmal ein Spruchband aus, auf dem zu lesen war:
"gegen Turnsportvereine". Offenbar hatte man den zweiten Teil des
Spruchbandes ("für Fusionsvereine") vergessen. Bei der
Alemannia wird man sich aber sicherlich trotzdem Gedanken machen.
Gerüchteweise ist eine Fusion mit Rhenania Würselen mit
anschließender Umbenennung in "1.FC Aachen" geplant. Die
Spielvereinigung war mit der Führung im Rücken etwas stärker
als vor der Pause - gute Schönwetterfußballer gab es in Cöln
schon immer. So schien es sich zu rächen, dass die Alemannia aus der
anfänglichen Verunsicherung der weinerlichen Pokalhelden trotz guter
Einschussgelegenheiten kein Kapital schlagen konnte. In der 52. Minute
köpfte Markus Kurth auf Dirk Lottner, der dem selig schlummernden Willi
Landgraf enteilte. In der Mitte rutschte Dirk Caspers weg, so dass Matthias
Scherz freistand und Stephan Straubs Aufmerksamkeit von Lottner gelenkt
wurde. Der wusste das zu nutzen und hob den Ball über Straub zum 2:0 ins
Netz. Mit Emmanuel Kronitiris kam nun ein dritter Angreifer, und die Alemannia
versuchte alles. Die Gastgeber hatten aber nun Oberwasser, der einzige
Cölner, der jetzt noch verunsichert war, war Ivica Grlic, der Matthias
Scherz beinahe ohne Not das 3:0 aufgelegt hätte. Das fiel fünf
Minuten später nach einem Freistoß von Dirk Lottner. Scherz
ließ abtropfen für Kringe, der allzu frei im Strafraum stand und
zum 3:0 unter die Latte traf. Nun hatten auch die Cölner Fans nach dem
Motto "sing when you're winning" Oberwasser und stimmten
"8:0" und "ihr könnt nach Hause fahren" an.
Allerdings hatten sie mit altbekannter Überheblichkeit die Rechnung ohne
die Moral der Alemannia gemacht - genau wie vereinzelte enttäuschte
Aachener Fans, die vorzeitig das Stadion verließen.
20 Minuten vor dem
Ende setzte sich der Neuzugang der Alemannia Emmanuel Krontiris nach Pass von
Josef Ivanovic gegen zwei Cölner durch und hämmerte den Ball zum
3:1 in die lange Ecke. "Scheißegal" - so triefte weiterhin die
gesammelte Arroganz von der Südkurve. Eine Viertelstunde vor Schluss
wurde dann mit der rosa Karte für Thomas Cichon die Aachener
Schlussoffensive eingeläutet. Bei einem Aachener Konter ließ
Cichon den schnellen Miro Spizak über die Klinge springen. Der wäre
etwas weit nach außen gelaufen, während in der Mitte noch ein
Abwehrspieler mitgelaufen war, so dass man den Platzverweis nicht unbedingt
geben musste. In Überzahl schien nun noch etwas drin zu sein - leider
war es damit nach zwei Minuten wieder vorbei, als Markus Kurth plötzlich
wie ein Mädchen jammernd zu Boden fiel. Was erst im Fernsehen zu
erkennen war: er wurde von Quido Lanzaat in die Hacken getreten. Der sah
dafür Rot, und damit schienen alle Hoffnungen begraben zu sein. Die
Alemannia steckte aber immer noch nicht auf und verlor auch nicht wie so oft
in der Vergangenheit dabei die Übersicht. Statt langer Bälle wurde
weiter fleißig kombiniert, bis man in der 83. Minute für den
Kampfgeist belohnt wurde. Emmanuel Krontiris holte sich den Ball im
Mittelfeld, hatte dabei viel Platz und spielte an der Strafraumgrenze
Sturmpartner Ivanovic an. Der drehte sich und legte quer, zurück auf
Krontiris. Der ließ Moses Sichone mit einer Körpertäuschung
ganz alt aussehen und schloss eiskalt mit links zum 3:2 ab.
Im zwischenzeitlich eher ruhigen Gästeblock ging nun noch einmal richtig
die Post ab. Die Minuten verstrichen, Dirk Lottner verfehlte mit einem
Flachschuss das 4:2 um Zentimeter, und dann geschah das Unfassbare.
Karlheinz Pflipsen, der die Hauptkampfbahn mit Gladbach schon oft genug als
Sieger verlassen hatte, kurvte wie nichts durch die Cölner
Hintermannschaft. Wesentlich mehr konnte man aus dem einen knappen Kilometer
entfernten Gästeblock nicht erkennen. Wie man mir mehr als eine Stunde
später erzählte, muss Ivica Grlic auf Emmanuel Krontiris abegelegt
haben, der am versteinerten Torwart Bade vorbei sein drittes Tor erzielte -
15 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit. Dieses Mal pfiff der
Schiedsrichter zeitig ab - zum Glück für die aufs Neue
verunsicherten Cölner, die wahrscheinlich nicht lange gebraucht
hätten, um sich auch noch das 3:4 zu fangen. Von all dem hat allerdings
kaum jemand der mitgereisten Aachener noch etwas mitgekriegt, alles purzelte
nur noch durcheinander und lag sich in den Armen. Bei einigen flossen
Freudentränen, auch eine Viertelstunde nach Abpfiff war der Block noch
gut mit feiernden Aachenern gefüllt.
Der Rest des Abends entschädigte für vieles, was man in den letzten
Jahrzehnten als Alemannia-Fan durchmachen musste. Kaum verließ man den
Gästeblock, sah man sich einer Kette von Cölner Ordnern
gegenüber, hinter der frustrierte Anhänger der Spielvereinigung
vorbeiliefen und diverse obszöne Gesten zum besten gaben und das eine
oder andere Wurfgeschoss loswerden wollten. Die Ordnerkette endete nach
wenigen Metern, und so mischte man sich unter die Cölner, von denen
einige auf der Wiese vor dem Stadion ihren Frust auslassen wollten, aber an
den Herren in den Gladbacher Vereinsfarben scheiterten. Auf dem S-Bahnsteig
warteten - nachdem bereits einige Sonderbahnen für die Aachener
abgefahren waren - noch ein paar Dutzend Aachener und mehrere Hundert
Cöln-Fans, die etwas ungehalten auf die Ansage reagierten, dass nun ein
weiterer Sonderzug nach Ehrenfeld für die Gästefans einfahre -
"eine Unverschämtheit, als wir in Aachen gespielt haben, gab es
nur zwei Busse für uns" usw., war aus den Reihen der
Rot-Weißen zu hören, während sich die wenigen Aachener mit
den Worten "Entschuldigung, darf ich mal durch?" in die S-Bahn
begaben. Diese fuhr - gefüllt mit ebenso vielen Polizisten wie Fans -
mit einiger Verspätung los, nachdem sie noch einige Wurfgeschosse, Tritte
und Schläge zu überstehen hatte. Im Zeitlupentempo fuhren wir
schließlich am Bahnsteig vorbei, mit bestem Blick auf Hunderte dummer
Gesichter und ausgestreckter Mittelfinger - selten so viel Spaß gehabt.
Die Alemannia hat nach dem Unentschieden sieben Punkte Rückstand auf
einen Aufstiegsplatz, die vielleicht nur fünf Punkte wären, wenn man
in der ersten Hälfte die Chancen verwertet hätte, aber das
interessierte nach diesem Wahnsinnsspiel niemanden. Ich kann mich nur an sehr
wenige Spiele in den letzten 20 Jahren
erinnern, die ähnlich geil gewesen wären. Der Pokalsieg im
Elfmeterschießen gegen Bremen, das 4:3 nach 0:3 im Pokal gegen Duisburg,
das 2:1 in München Gladbach, das 3:1 in Leverkusen oder das 2:1 gegen
Verl kurz vor dem Aufstieg - an dieses Spiel wird man sich noch in Jahren
gerne erinnern.